Einfaches leben

Wieder zurück vom Ashram in meinem neuen zuhause Varko (griech. Barko = der schattige kühle Platz) lebte ich mich immer mehr ein. Das Lehmhaus lag im Tal in einem Olivenhain. Die halb zerfallenen Häuser und das Land pachteten wir für 100,00 DM im Monat, was viel Geld war, da wir erst alles herrichten mussten. Eine Orangen und Zitronenplantage umgab alles. Unterhalb des alten Brunnens an dem einige alte Walnussbäume standen lag der Fluss. Neben dem Wohnhaus war ein noch weiteres Gebäude aus Lehmziegel, ein früheres Magasic(griech. Einkaufsladen und Kneipe) jetzt geschlossen und halb zerfallen. Zwischen den Wohnhaus und Magasi ein altes Weindach (Pergulia) mit Weißweintrauben.

 Es gab viel zu lernen, sehr viel. Ich war aus Deutschland gekommen, einem Land in dem es alles gab, und alles für Dich erledigt wird. Hier gab es fast gar nichts und man musste alles selber tun. In den zwei Magasis im Dorf konnte man das notwendigste einkaufen. Alles nach Kilo: Kaffee (griechischer Mocca) und Salami, Fettakäse, selbst Nudeln (Spaghetti) gab es offen aus dem Sack. Sie wurden zerbrochen abgewogen und in eine Papiertüte gefüllt. Nägel desgleichen. Petroleum für unsere Lampe , vom Fass gezapft. Schokolade nur griechisch, bei  der irgendwie der Kakao und Zucker fehlte. Bananen waren verboten, Luxusgut, wie die damals regierende  sozialistische Regierung entschieden hatte. Genauso Farbfernseher. Zigaretten nur griechische, außer Marlboro, die sehr sehr teuer waren. Reis, Ouzo, Retsina und Cognac vom Fass. Das war es dann auch schon fast. Zum Leben mehr als ausreichend. Wie gesagt hatten wir ja keinen Strom zuhause. Kerzen oder Petroleumlampe, oft gingen wir schon früh ins Bett, wenn es dunkel wurde. Gekocht wurde mit Gas, eine Errungenschaft. Früher mussten alle warmen Mahlzeiten auf dem offenen Holzfeuer Im Freien oder Kamin zubereitet werden. Auch im heißen Sommer. Die 40 kg schwere Gasflasche holten wir auch aus dem Magasi im Dorf. Auf dem Rücken. Eine halbe Stunde zu Fuß entfernt.

Es war ein einfaches, sicherlich entbehrungsreiches Leben, das ich aber nie vermissen möchte und auch niemand vergessen werde. 

Ein Problem hatten wir allerdings wohin schei…., also aufs Klo gehen. Ohne Strom und fließend  Wasser gab es auch kein Bad oder Toilette. Duschen war ja noch okay. Da gingen wir im Sommer zum Brunnen, zogen 2  Eimer Wasser hoch und ließen Sie in der Sonne in einem Behälter warm werden. (Brunnenwasser hat immer 14 Grad). Am Abend gab es dann eine warme Dusche. Herrlich. Im Winter wurde das Brunnenwasser am Holzofen warm gemacht und dann im Haus gebadet.

Aber Toilette!

Beim Landroden fanden wir etwas abseits vom Wohnhaus ein Schei..häuschen mit Donnerbalken, nicht Plumpsklo. Es war ein Loch, über das zwei Balken lagen. Einen auf  dem man saß und einen etwas höheren zum Anlehnen. Nach einer Weile musste der Inhalt  des  Loches natürlich  in ein anderes, größeres entsorgt werden. Wir Pflanzten von außen ein paar Blümchen…( siehe Foto ).

Toilettenhäuschen freilegen
Toilettenhäuschen freilegen
Unser Toilettenhäuschen mit Blumenbeet
Unser Toilettenhäuschen mit Blumenbeet

Müllabfuhr gab es in diesen Tagen natürlich nicht. So viel Müll gab es auch noch nicht. Essensreste oder was beim Kochen übrig blieb bekamen die Hühner, Hasen oder das Schwein. Aber das wenige, das nicht verwertbar war (Konserven und Plastik) wurde in ein großes Loch geworfen und wenn es voll war angezündet. Wenn das Loch voll war mit Erde bedeckt und ein neues gebuddelt  Es war immer noch besser glaube ich, als viele andere, die allen Müll in den Fluss warfen. Wie im Mittelalter!

Wir hatten natürlich einen großen Gemüsegarten. Das ganze Jahr über. Auf Korfu gibt es ja keinen Frost oder Schnee, so kann man immer anbauen und  hat immer etwas frisches zum Essen. Im Frühjahr/Sommer Kartoffeln, Salate Tomaten,  Bohnen, Paprika, Zucchini und  Auberginen, das ganze Sommergemüse eben auch Okras, Erdnüsse, Süßkartoffeln und wenn man wollte Tabak und Baumwolle.

Im Herbst/Winter dann das Wintergemüse wie Kohlsorten ,Fenchel, Salate Erbsen ,Spinat usw. eben alles, das viel Wasser, aber nicht so heiß mag.

Mais zum Essen, aber auch für die Tiere pflanzten wir April /Mai es brauchte genau 3 Monate.

Getreide (Hafer Gerste, Weizen) für das Viehzeug im Herbst. Von September bis Ende Oktober.

Ja wir hatten und haben immer noch einen kleinen Bauernhof. Geflügel (Hühner, Truthähne, Perlhühner, Gänse, Ente auch Tauben. Hasen Schweine und Ziegen!

Finanziell sah es katastrophal aus. Damals war in Korfu der Tagelohn, griech. Merokamato (von mera = Tag und  kamo = machen) bei 500 Drachmen, ungefähr 3 DM. Sachen fürs tägliche Leben waren recht billig, aber sonst konnte man  keine großen Sprünge machen. Im Gegenteil, es reichte hinten und vorne  nicht. Neue Kleider waren bei dem Einkommen zu teuer.

Zum Waschen stellten wir unsere Olivenseife selber her. Minderwertiges Olivenöl und Soda (nicht zu viel) ergaben eine wunderschöne Seife!

Zurück zum Tagewerk. Es wurde solange gearbeitet wie man Sonne hatte. Also im Winter weniger Stunden, im Sommer wesentlich mehr. Eben solange es Tag war.

Was gab es zu tun?

Im Winter die Olivenernte, die Ende Oktober mit dem langsamen Reifwerden der Oliven begann und manchmal bis zur völligen Reife (schwarze Oliven) im Juni, Juli dauerte. Über Oliven, Olivenernte, Olivenpresse usw. will ich  in einem eigenen Kapitel schreiben, es ist doch sehr weitreichend. Im Sommer gab es Arbeit in den Gemüseplantagen (Tomaten , Gurken, Auberginen, Zucchini usw.), LKWs  be- und -entladen mit aller möglicher Fracht, z.B. Dachziegel, Zement, Kartoffeln, Dünger usw.

September fing die Weinernte an o Trigos. Die Bauern in Korfu hatten damals noch sehr viele Weinfelder (vor allem in Strandnähe) und machten alle selber noch Ihren  Hauswein. Mit Einzug des Tourismus und  einem fatalen EWG Erlass (die damalige EWG bezahlte pro  herausgerissenen Weinstock Subvention! Grund Weinüberschuss im EWG-raum). findet man heutzutage so gut wie keine Weinreben mehr. Leider, denn der Korfu-Wein war von seiner Qualität zwar nicht so gut (eher trüber Most) aber halt einzigartig.

Mit einer Sache konnte man damals gut verdienen, alte verwilderte Olivenhaine (uralte Bäume teilweise 500 Jahre alt) säubern. Sie waren mit Dornen in Höhe von bis zu 5 m ,   Ginsterbüschen, Farnen und allem möglichen Unkraut eingewachsen. Seit Jahrzehnten nicht mehr kultiviert. Man schaute sich also so einen Olivenhain mit dem Besitzer an und handelte einen Festpreis (griech. Xakopie) aus. Etwa  50 Olivenbäume säubern für 30000 Drachmen (damals ungefähr 200 DM für etwa 1 Monat Arbeit). Wie viele Tage  ich arbeitete war  mein Problem. Eine Knochenarbeit, die Arme und Gesicht zerkratzt von den Dornen, die Kleidung zerrissen. Arbeitswerkzeug waren Handsäge, Sense, Hacke  und Sichel. Motorbetriebene Hilfsmittel gab es damals noch nicht. Eine Motorsäge war ganz selten!

Aber ich verdiente das Doppelte am Tag  anstatt Tagelöhner.

Man muss dazu sagen, das beim Tageslohn immer Verpflegung mit dabei war. Bei Arbeitsbeginn (8 Uhr morgens - im Sommer auch früher) gab es griech. Kaffee und Ouzo oder Cognac. Der in anderen Gebieten Griechenlands bekannte Grappa (Tsipoura) gab es in Korfu damals nicht. So gegen 11 Uhr dann Brotzeit (griech. skolation) mit Spiegelei, Oliven, Fettakäse  und Weißbrot.

Gegen 2 Uhr Mittagessen (oder am Ende des Tages) mit Fleisch oder Fisch und Gemüse und natürlich Wein. Bier war eher selten, nur in den  Magasis zu erhalten.

All diese Umstände (sehr wenig Geld, Leben ohne Strom und fließend Wasser) ließen bei meinen Freunden Joschi und Olli, die alles hier mit aufgebaut hatten den Mut sinken, dass alles hier eine Zukunft hätte. Sie waren inzwischen auch mit 2 Schwestern aus der Schweiz zusammen und verließen mich Ende dieses ersten Jahres 1983. Olli bereits im August, Joschi im Oktober.

Der Alltag sieht doch anders aus, als die Vorstellungen, Träume und Wünsche, die man hat vom Aussteiger sein hat. Leben auf dem Land und Bauernhof und so! Dass ich von nun allein sein sollte, war für mich eine furchtbare Vorstellung. Ich war am Boden zerstört. Und am Tag von Joschis Abreise heulte ich wie ein kleines Kind und wusste nicht, wie es weitergehen soll. Für mich gab es aber kein zurück mehr. Komme was es wolle, ich bleibe hier!