Die Wahrheit
Rohini wollte nach Oregon. Unbedingt. Den Meister sehen. Mitwirken bei dieser riesengroßen Kommune. “ Die haben hunderte von Kühen, die modernsten Anlagen und eine eigene kleine Stadt mit eigenen Sheriffs und und und… Komm mit Klaus wir fliegen zusammen zum Meister.
Ich war hin und her gerissen. Gerade hatte ich doch begonnen mir ein neues zuhause zu schaffen in Warko. Das alte Haus renoviert, Stallungen errichten. Und da war ja auch noch Isabelle.
Isabelle war in diesem Winter 83/84 mit Swami Prem Deepeche zusammen. Ein Sannyassin und Freund aus Genf, der dann für einen kurzen Trip nach Konstantinopel (Istanbul) reiste und ich Ihm kurzerhand Isabelle ausspannte. Ja so einfach war das damals. Bamm-bamm. Ich hatte mich in Isabelle verliebt und wollte Sie haben. Und bekam Sie auch. Rohini war vergessen.
Isabelle war ganz und gar gegen die Sannyassin Szene. Fand das alles lächerlich. Respektierte aber meine Person und auch mich als Sannyassin.
Tja, das war alles so durcheinander .
Bhagwan gab damals die Anweisung aus, dass sich alle Sannyassins vereinigen sollten. D.h. keiner irgendwo allein sein, sondern alle zusammen die Energie vereinigen, eine Kommune bilden oder in einem Ashram leben. Wie oft sagte mir Jürgen ich sollte nach Larna ziehen, mein Heim in Warko aufgeben. Nein will ich nicht, sagte ich.
Und da keimte in mir eine kleine Flamme des nicht Wollens auf.
Es gab da noch ein anderes Problem. Zumindest für mich war es ein Problem. Die Sache mit dem Geld.
In allen Ashrams war eine Regel. Wenn man im Ashram leben wollte, musste man arbeiten und bezahlen. Je nach Ashram waren Preis und Arbeitszeit unterschiedlich.
Pro Tag 100 Dollar bezahlen und 12 Stunden arbeiten war in Oregon angesagt.
Im Sadhana in Larna waren damals 50 DM bezahlen und 8 Stunden Arbeit am Tag normal.
Man kann sich das aus verschiedenen Perspektiven betrachten.
A) Aus der Ausbeuterperspektive. Arbeiten und bezahlen. Unterkünfte einfach auf Matratzen, Dusche am Brunnen (Eimer voll Wasser und dann über den Kopf). Toilette war Plumpskloh in einen Eimer, der gewechselt werden musste. Romantisch und einfach. Aber auch noch dafür bezahlen?
B)Aus Sicht der alten östlichen und westlichen Klöster vollkommen normal. Ein Mönch oder Jünger trat in ein Kloster ein (das war ja auch ein Ashram), gab seine Arbeits-Energie dafür und bekam als Gegenleistung? Ich denke Glückseligkeit.
Natürlich wird in buddhistischen Klöstern kein Geld verlangt, die Bettelmönche hatten das ja auch nicht.
Aber bei den Sannyassins Ashrams. Wieso? Ich glaube um die Kommune zu vergrößern, den Ashram zu modernisieren ?
Viele Personen, die Bhagwan Jünger waren und reich waren, gaben ja auch Ihr ganzes gesamtes Vermögen. Schenkten es Bhagwan und der Comunity.
Bhagwan hatte 99 oder 100 (?) Rolls Royce. Er liebte Rolls Royce zu fahren. Und er fuhr jeden Tag mit einem anderen an seinen Jüngern vorbei. Richtig oder falsch? Gut oder schlecht?
Sicherlich provokant für seine Gegner. Er hatte ein anderes Bild von Geld und Reichtum. Lebe es aus. Alles was in Dir ist, lebe es aus, denn nur so kannst Du es fallenlassen.
Das gleiche mit dem Sex. Lebe deinen Sex aus, nur so kannst Du diese Energie fallenlassen, ja sie in eine andere Energie transformieren.
All dies beschäftigte mich natürlich.Wie sollte ich ein paar tausend DM verdienen (bei einem Tageslohn von 10 DM) um nach Oregon zu kommen um dort ein paar Wochen zu bleiben?
Bhagwan sagte, wenn man etwas wirklich will, passiert es auch. Konzentriere Dich komplett auf die eine Sache und es werden Dinge geschehen, die Dir zum Erreichen des Ziels helfen.
Was tat ich? Ich schob erstmal alles hinaus. Schauen wir mal, dann sehen wir schon. In dem Stil.
Mir fehlte die Hingabe, die totale Hingabe. Aber ehrlich gesagt, war mir das jetzige Leben, so wie ich es gefunden hatte so viel wichtiger. Es war Angst, diese Urangst. Was würde werden?
Die Zeit verging, die Arbeit ging voran. Ich musste viel lernen.
Dazu gehörte auch das Schlachten.
Man hatte ja Tiere auf dem Bauernhof. Nicht nur für Eier oder Milch. Ältere Tiere mussten geschlachtet werden oder auch zu viele männliche Nachfolger.
Was sollte man z.B. mit 10 Hähnen? Oder mit 4 Ziegenböcken?
Schließlich war Fleisch ein Proteinlieferant. Aber eigentlich war ich seit 2 Jahren Vegetarier. Eigentlich…
Das mit dem Gemüse und Obst war ja auch schön. Aber jetzt die Hühnchen, Hasen oder Zicklein nur dem Hund geben?
Nein!
Mein erstes Huhn war schon schwierig zu Schlachten. Da flossen die Tränen und eine große Überwindung bis das Beil fiel.
Nach spätestens 2 Jahren legen Hühner immer weniger Eier und werden anfälliger für Krankheiten (Hühnerpest, Typhus Salmonellen usw.). Also lieber ein gesundes Suppenhuhn im Teller! Das ist doch etwas leckeres!
Im Ashram Sadhana/Larna waren wir fünf bis sechs Sannyassins in diesem Winter 83/84. Die Leiter (Jürgen und Aloka ) waren ausgeflogen. Aloka nach Indien und Jürgen in der Schweiz und in Deutschland. (Wo er, wie gesagt Peter Stolz traf)
So hatten wir sturmfreie Bude. Neben unseren täglichen Meditationen tanzten wir viel und hatten eine schöne Zeit. Premghyan, ein Freund aus Deutschland, der die Manie hatte ,die vielen hundert Orangen, die täglich von den Bäumen fielen zu sammeln und in einem Schlafzimmer des Ashrams zu lagern. Er konnte einfach nicht mit ansehen, dass das viele Fallobst ungenützt am Boden lag.
Eben dieser (der einen schweren Autounfall hinter sich hatte) musste kurz (2 Wochen) nach Deutschland zurück. Mit seinem VW Bus. Diese Gelegenheit nahm ich beim Schopf und fuhr mit Ihm mit, meine Freunde und Familie zu besuchen.
Wie froh war ich doch nach dieser kurzen Zeit wieder in Korfu zu sein. Ich verstand selbst nach dieser kurzen Zeit vieles in Deutschland nicht mehr.
Eine gerngesehene Besucherin bei mir in Warko war Maria. Die Mutter von Alekos, dem Vermieter, der als Matrose auf hoher See war. Sie hatte wenige Jahre bevor wir kamen den Aussiedlerhof in dem wir wohnten, mit Ihrem Mann Nikolettos verlassen, um bei Ihrem Sohn im Dorf zu wohnen. Der Sohn Alekos war zwar so gut wie nie zuhause, als Matrose auf einem griechischen Handelsschiff immer unterwegs. Aber Sie hatten Strom und fließend Wasser und Nachbarn, falls Ihnen irgendetwas passieren sollte.
Einmal in der Woche kam also Maria. Sie erinnerte mich an meine Oma, die ich sehr liebte. Sie wanderte mit Ihrem Gehstock (meisten ein alter Besenstiel oder ein Stück Bambus) durch die Olivenhaine zu Ihrem alten Haus. Ihre Schuhe waren oft ausgelatschte Exemplare von Ihrem Mann oder Sohn, 3 bis 4 Nummern zu groß. In dem Haus hatte Sie sieben Kinder zur Welt gebracht! Natürlich viel Erinnerung.
Auf dem Weg zu mir, kam Sie ja an vielen Äckern und Gärten vorbei. Ein paar Kartoffeln da. Pfirsiche, Zitronen Mandeln usw. Je nach Jahreszeit gab es ja verschiedene Sachen. Walnüsse, Weintrauben vom Weindach und Granatäpfel im Herbst, im Sommer Pfirsiche Gemüse, Feigen Orangen. Im Frühjahr Artischocken Mispeln und vieles mehr.
Also immer viel zu sammeln.
Sie redete natürlich nur griechisch. Und so blieb mir auch nichts anderes übrig, dies auch zu tun.
Dies ist auch ein Grund warum ich so gut griechisch spreche. Es sprach damals niemand deutsch und nur sehr wenige englisch. Man musste griechisch lernen, sonst konnte man sich nicht unterhalten, nicht einkaufen, gar nichts. So lernte ich jeden Tag, jeden Abend Vokabeln und tagsüber die Praxis mit den Einheimischen. Wenn in der heutigen Zeit Fremde (griech. Xenos) nach Korfu kommen, um hier zu leben, lernen Sie manchmal nicht mehr von der griechischen Sprache als Kalimera oder Kalispera. Weil Sie nicht gezwungen sind die einheimische Sprache zu lernen.
Maria scherte ja immer noch Schafe im Frühsommer .Wenn es nicht Ihre eigenen waren wie früher, so halt von Nachbarn. Sie wusch dann die Wolle, splisste sie (mit einem kleinen Nagelrechen) und spann sie zu Wollfäden. Nicht auf dem Spinnrad , sondern noch mit einer Handspindel. So wurde der Faden zwar manchmal unterschiedlich dick, man konnte aber überall spinnen. Sozusagen eine Mitnehmspindel. Da saß Sie also, unterhielt sich mit einem und spann.
Aus dem Wollknäuel entstanden dann Ihre berühmten „ Skaltzounia“ (griech. Socke). Sie kratzten sehr (manchmal war in so einem Faden doch noch ein kleiner Strohhalm) aber waren „tierisch“ warm. Ich verkaufte dann später viele solcher Biosocken im Club für Maria, um Ihre geringe Rente etwas aufzufrischen. Die meisten Frauen mussten allerdings unter den Socken dünnere Söckchen tragen. Sie fanden sie als Hausschuhe aber top.
Meine Maria !
Sie kam aus Karousades, einem Bergdorf ungefähr 20 km von Arillas entfernt. Dort wurde im letzten Jahrhundert sehr viel Tabak angebaut. Ihr Vater war ein der größten Tabakbauern und Händler dieser Region. Daher rauchte Sie auch leidenschaftlich gern.
In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass griechische Tabake (Virginia Sorte, meistens angebaut in Nordgriechenland) zu den besten in ganz Europa zählen. Wie auch die Baumwolle.
Wenn Sie zu Besuch kam, wollte Sie immer einen griechischen Kaffe“ gliko“, ein Glas Wasser und eine Zigarette. Die „paffte“ Sie eigentlich mehr, ohne Lungenzüge. Aber lachte immer dabei, es erinnerte sie wahrscheinlich an Ihre Kindheit. Sie wurde ja auch als junges Mädchen “verkauft“. Ich glaube nicht, dass Sie gefragt worden war, ob Sie Ihren doch wesentlich älteren Mann heiraten wollte.
Wenn Sie ankam, schlachtete ich meistens einen Hasen (griech. Cunelli) oder einen Kokoros (griech.Hahn) und den aßen wir dann zusammen. Auf dem Balkan muss Blut fließen, wenn ein Gast und Freund kommt! Das ist Brauch.
Sie hatte 6 Kinder. In der Zeit während und nach dem 2. Weltkrieg geboren (Griechenland hatte ja auch sofort nach Beendigung des 2. Weltkrieges einen jahrelangen Bürgerkrieg zwischen Konservativen und Kommunisten, den die Konservativen gewannen.)
Also eine sehr schwierige Zeit für Sie, und Ihre „Versorgungs- und Organisierungszüge“ waren von daher verständlich. Meistens kam Sie um die Mittagszeit, trank Kaffee und schnarchte dann außen auf einer Bank im Schatten des Weindaches (pergulia).
Ein paar Worte zu griechischem Kaffee: (Auch türkischer Mokka genannt, natürlich nicht bei uns!)
Griechischer Kaffe (der Kaffee kommt natürlich auch wie unser Filterkaffee aus Brasilien, Arabien usw.) wird geröstet (hell oder dunkel) und dann sehr fein gemahlen.
Er wird in kleinen Töpfchen (buruki) zubereitet. Das Buruki wird mit Wasser gefüllt (die Menge ist eine winzig kleine Tasse, etwas größer als Espresso) und erhitzt. Während des Erhitzens gibt man den Kaffe und den Zucker dazu. So lange bis diese Mischung nun aufkocht, wird ständig gerührt. Kurz vor überkochen wird die Flamme ausgeschaltet und der Kaffee sofort in die Tasse gefüllt und serviert. Vor dem Aufkochen und Abfüllen wartet man auf den Kaimaki, den berühmten Kaffeeschaum, der dann auch in der Tasse oben steht. Da Kaffee sehr entwässert, wird in Griechenland (wie im ganzen Orient immer ein Glas Wasser dazu serviert).
Nun gibt es verschiedene griechische Kaffeegeschmäcker:
Sketo- pur Wasser und Kaffee pur ohne Zucker
Metrio-mittel Wasser, auf einen Teelöffel Kaffee kommt ein Teelöffel Zucker
Gliko- süß Wasser, auf einen Teelöffel Kaffee kommen zwei Teelöffel Zucker
Wari gliko – Schwer (sehr) süß Wasser auf einen Teelöffel Kaffe kommen mehrere Teelöffel Zucker
So wird auch in den Kafenion (Kaffestuben) bestellt: Ena elleniko kafe metrio!
Milch im Kaffe ist eigentlich sehr selten, kann man aber auch bestellen. Dann heißt es: ena elleniko kafe gliko me gala
(Milch).
Es ist eine Wissenschaft für sich und ich als nicht Kaffeetrinker bin darin eigentlich nicht so begabt.
Nach dem Mittagsschläfchen ging die Beschaffungstour weiter. Am Abend begab Sie sich dann mit Ihrem Baluki (Stecken) auf die Heimreise. Die ergatterden Sachen brachte ich Ihr ins Dorf nach, es waren manchmal etliche Säcke! Sie konnte die Sachen natürlich nicht selber aufessen, aber gegen andere wieder eintauschen oder verkaufen. Griechenland pur!