Aller Anfang ist schwer

Liebe Freunde und Gäste des Ouranos Clubs !

 

Nach sechsmonatiger Pause möchte ich gerne diesen Blog weiter schreiben. Leider hat es so lange gedauert, da ich im Sommer während der Saison wenig Zeit hatte.

Ich bekam im Laufe des Sommers im Ouranos Club und über das Internet so viel Lob von Euch. Vielen Dank dafür!

 

Bevor ich mit dem nächsten Kapitel beginne, möchte ich noch einmal an Isabelle erinnern, die  am 17.11.2015 nach schwerer Krankheit von uns ging. Sie war seit über dreißig Jahren im Seminarhaus als Köchin tätig und begeisterte alle mit Ihren einzigartigen Gerichten.

Das folgende Kapitel ist daher Ihr gewidmet.

 

Aller Anfang ist schwer

 

Eigentlich wollten Jürgen und Aloka selbst im Uranus Club kochen. Was Sie am Anfang (und zwischendurch auch taten). Aber es war doch sehr viel Arbeit. Im ersten Jahr gab es Frühstück, Lunch und Abendessen! Es waren  zwar wenig Gäste aber man musste ja neben dem Kochen noch einkaufen, abspülen und vieles mehr…

Nicht zu vergessen: Sie leiteten auch noch den Ashram in Larna. Aloka hatte sich zudem in den Kopf gesetzt, sich Ziegen anzuschaffen. Sie besorgte sich also ein Paar einheimische „Katzikes“ (griech. Zicklein). Nun sind ja Ziegen ganz anders als Schafe, sie sind richtige „Teufel“. Die hüpfen und springen und fressen einem alles kaputt. Nicht umsonst wird der „Leibhaftige„  gerne als halber Ziegenbock dargestellt.

Blumen (vor allem Rosen, Sträucher und kleine Bäumchen (die Rinde) sind eine Delikatesse für die kleinen Plagegeister. Sie rennen gerne auf den niedrigen Hausdächern umeinander, und treten die alten porösen Dachziegel in Scherben. Eine wahre Katastrophe. Nicht umsonst hatten die Venezianer vor 400 Jahren ein Ziegenverbot über Korfu verhängt, um die jungen Olivenbäumchen, die zu tausenden überall gepflanzt wurden, zu schützen. Warum hält man sich also Ziegen? Weil Ihre Milch und Ihr Fleisch im Gegensatz zu Schafen, weder Fett noch Cholesterin enthält. Auch  bestens geignet für Allergiker.

 

Alokas Ziegen hielten sich also an allem labsam was so wuchs. Man musste Sie deshalb anpflocken, mit einem Seil von 4 bis 5 Metern. Griechen binden diese Seile an den Füßen fest, was eine Tortur für die armen Tiere ist und Sie sich auch oft die Beine brechen.  

Das wollten wir natürlich nicht.

Es musste also ein Gehege her. Larna, der Ashram, war ja sehr groß. 20000 qm Land mit Feldern, sehr hügelig, viel Feldern und Zypressen.

So war es unsere Aufgabe (Jürgen und  meine) einen Zaun zu bauen, damit die Ziegen frei umherwichteln konnten!

Also sollte  ich ein oder zwei Tage frei bekommen vom Küchendienst.Yuppie!

 

Am Vorabend  zu dieser Aktion kamen Isabelle und ich spät nach Hause. Nachdem wir mit dem Kochen im Uranus Club fertig waren , gingen wir immer zu Fuß, wir hatten ja auch kein Fahrzeug. Also ungefähr eine halbe Stunde.  Zuhause angekommen, wollte ich noch ein paar Orangen ernten für das Frühstück am nächsten Tag.

Ich stieg auf den großen Orangenbaum neben unserem Häuschen. Nun haben alle  Zitrusfrüchtebäume ganz gefährliche Stacheln an den Ästen. Im Dämmerlicht griff ich leider in einen dieser Dornen. Er stach in den kleinen Finger der rechten Hand.

Autsch! Tat das weh.Ich nahm noch ein paar Orangen und stieg vom Baum.Müde waren wir auch und so gingen wir ins Bett.

Am nächsten Tag fingen wir also mit dem Zaun an. Bis zum Mittag war alles gut, dann fing mein kleiner Finger doch sehr zu schmerzen an. Die Zäune waren zum Teil stark verrostet und meine Hände sahen dementsprechend aus. Keine Desinfektion, kein Pflaster. Am abend fühlte ich mich dann sehr schwach und hatte leichtes Fieber. Ab ins Bett. In der Nacht wurden die Schmerzen unerträglich, Fieber bis 41 Grad. Ein roter Streifen vom Finger runter zur Handfläche. Blutvergiftung.  

Tetanusimpfung? Schon längst abgelaufen.

Ich überstand die Nacht mit unglaublichen Schmerzen im kleinen Finger. So als ob ständig jemand mit einem Hammer draufschlagen würde. Nicht umsonst wurden im Mittelalter bei der Inquestition den Menschen Daumenschrauben angelegt. Wahnsinnige Schmerzen.

Isabelle meine Lebensgefährtin hatte die Horrornacht mit mir verbracht und suchte früh morgens Jürgen, der uns mit seinem Auto in die Stadt ins Krankenhaus fahren sollte.

Einen  ständigen Dorfarzt gab es damals noch nicht. Nur einen Landarzt, der mit seinem Auto jeden Tag einen anderes Dorf besuchte. Aber wo Ihn finden. Telefone gab es zu der Zeit nur wenige.

Isabelle fand Jürgen im Kafenion, wie es so üblich war, morgens bevor man den Tag anfing, einen Kaffee zu trinken. Im Kafenion hörte man dann auch gleich das neueste, das sich ereignet hatte.

„ Komm schnell Jürgen, Klaus geht es schlecht, er muß zum Arzt“ sagte Sie zu Ihm auf fränzösisch. Jürgen glaubte natürlich nicht so recht, dass sich meine Wunde wegen einem Stachel so verschlimmert hatte. “Ja, ja ich komme gleich „.

Nach zwei Stunden (und einem kleinen Frühschoppenouzo) kam er dann zu uns ins Tal gefahren.

Bei meinem Anblick fiel Ihm gleich die Kippe aus dem Mund. Schnell ins Krankenhaus!

Wer von Euch schon einmal in ein griechisches Krankenhaus musste, weiß, dass es in die Hölle ging. Mir war es nicht so klar, es war das erste Mal in meinem Leben.

Wenn ich heute an einem griechischen Krankenhaus vorbeifahre, schlage ich dreimal das Kreuz und bete zur Maria Mutter Gottes, damit ich davon verschont bleibe. Warum? Dann lest weiter.

 

Im Krankenhaus (griech. Nosokomio) angekommen, wies uns eine Krankenschwester bei der Notaufnahme an Platz zu nehmen und zu warten. Der Arzt kommt gleich. Leider waren wir so gegen 14 Uhr eingetroffen und da waren keine Ärzte mehr im Krankenhaus. Nach einer Stunde warten und meinem ständigen Jammern, fragte Jürgen noch einmal nach. Wo ist der Arzt? Kommt gleich, die Antwort. Nach zwei Stunden kam dann ein Arzt, sehr jung (aus der Mittagspause) daher. Er maß Fieber und teilte mir ein Bett zu. Antiwiosi, also Antibiotika!

Mein Finger war inzwischen bis zur hälfte dunkelblau.

„Leider kann er nicht mehr machen“. Der verantwortliche Arzt käme morgen früh wieder.Um die Mittagszeit waren nur Ärzte da, die sozusagen in der Lehre waren.

Zur Erklärung:

Ein Arzt in Griechenland in einem staatlichen Krankenhaus verdient zur Zeit (2015) ungefähr1000 bis 1500 € im Monat! Je nach Stellung. Deswegen reißt sich auch kein Arzt ein Bein aus. Er kommt morgens gegen 9 Uhr, macht Stippvisite, spricht noch mit den Angehörigen, nimmt seine „Fakelus“ (Briefumschläge) und geht wieder. Schließlich muß er ja noch für seine Frau zum Einkaufen fahren! Diese Ärzte haben dann fast alle außerhalb des Krankenhauses Privatpraxen, in denen man gegen bares Geld gerne Ihre Ansprüche in Kauf nehmen kann.

 

Was ist ein Briefumschlag? Wenn man irgendetwas in einem griechischen Krankenhaus erreichen will (Operation z.Bsp.), sollte man dem behandelnden Arzt in so einem Briefumschlag Bargeld stecken und ihm diesen unbemerkt zukommen lassen. „Könnte ich mit  Ihnen in Ihrem Büro unter vier Augen sprechen?...

Die Summe ist je nach Ernst oder Schwierigkeitsgrad unterschiedlich. So gibt man für eine Blinddarmoperation vielleicht bis zu 500 €, bei Herzoperationen oder Augenops manchmal bis zu 5000 €. Die Summe muß natürlich vor der OP entrichtet werden, damit sich keine „Fehler“ beim operieren einschleichen. Ist die Summe sehr hoch kann aus einer monatelangen Wartezeit des Patienten ein Wunder geschehen. Man wird am nächsten Tag operiert…

Doxa sto theon, was soviel heißt wie ..lobet den Herrn.

Eines Morgen kam Isabelle mit dem Frühbus und war um 9 Uhr im Krankenhaus. „Wenn Sie wollen, können Sie Ihren Mann duschen, sagte die Krankenschwester. Sie half mir also aus dem Bett heraus und wir gingen zum „Bad“.  Es tat mir wohl ein wenig warmes Wasser, trotzdem ich Fieber hatte. Isabelle wusch mich. Auf einmal wurde die Tür aufgerissen und ein Krankenpfleger stand da. „ Bist Du der mit dem Fuß? Was für einen Fuß? Der Fuß, der weg muss? Nein sagte Isabelle und so schob er das Transportbett wieder raus, etwas murrend zwar und suchte woanders sein Opfer.

 

 

Am nächsten morgen kam dann der behandelnde Arzt. Er sah nicht so aus als ob er den  Finger sehr ernst nehmen würde. Ich lag ja auch unter einigen schwereren Unfallopfern. Abteilung „Chirurgie“. Der eine mit gebrochenem Bein, Autounfall der andere zwei gebrochene Arme, Mopedunfall. Es war ein junger Ire, ungefähr in meinem Alter. Man hatte seine zwei Arme bis zur Schulter eingegipst. Er konnte natürlich weder etwas trinken noch essen .

Isabelle, die so oft sie Zeit hatte ins Krankenhaus kam um bei mir zu sein, half auch Ihm. Ich fragte Ihn mal wie es passiert sei. „In seinem fast unverständlichen englisch  sagte er „ I drove in the left side… Ich fuhr auf der falschen  Straßenseite…Tja das passierte öfters mit Engländern.

Genau wie  die Ärzte, hatten auch die Krankenschwestern wenig Lust zu arbeiten. Außer Sie bekamen ein wenig Trinkgeld. Bei einem Monatslohn von 600 € ist das nicht verwunderlich. Das  System war folgendermaßen:

Es musste immer einer von der Familie beim Kranken da sein. Und zwar 24 Stunden lang. Diese Person half dem Kranken aufs  Kloh gehen oder beim Essen, sich mal zu Duschen usw. Die Krankenschwester war nur dazu da Verbände anzulegen, Spritzen zu geben, Betten überziehen usw. Fehlte diese Person aus der Familie hatte man keine Chance zu „überleben“. Man wurde einfach nicht beachtet.

So auch der junge Ire, dem das Krankenhausessen hingestellt wurde und er verhungert wäre, hätte Ihn Isabelle oder einige andere Angehörige der anderen Kranken gefüttert.

Die „Helfer“ schliefen natürlich auch im Krankenhaus. Falls ein Bett frei wurde im Kranken Zimmer, ansonsten auf dem Stuhl oder im Gang neben dem Kloh.

Isabelle half mir sehr. Und Sie kochte noch im Uranous Club. Zusätzlich zu all dem versorgte sie noch das  Federvieh und den Garten. Wir hatten ja weder Strom noch fließend Wasser zu hause. Also auch keine Pumpe. Jede Gießkanne musste aus dem Brunnen gezogen werden oder mühsam aus dem Wasserloch am Fluss. Hilfe bekam Sie von Jürgen und Aloka. Vielen dank dafür.

Nach zwei,  drei Tagen Krankenhaus fing mein  Finger so langsam an schwarz zu werden.

„Kangrina“ auf Deutsch Wundbrand. So langsam wurde es auch dem behandelnden Arzt ein wenig mulmig. Er schlitze mir also den  Finger auf, fand aber nichts. Penicillin im Übermaß musste her, das aber nur die  Sache verlangsamte, nicht heilte...  Die Lage verschlimmerte sich zunehmend. Am morgen des viertes Tages kamen Aloka und Jürgen, holten mich aus dem  Bett und wir verließen das  Krankenhaus, direkt zu einem Privatarzt in  der Stadt. Er brauchte zwei Minuten und sagte: Amputieren!

Sofort also in die Privatklinik in Korfu.

 

Dort kam sofort ein Arzt.“In einer Stunde amputieren wir den Finger. Sofort alles  vorbereiten“. Als ich in den OP geschoben wurde, wer stand dort? Der gleiche Arzt, der mich im staatlichen Krankenhaus mehr oder weniger links liegen gelassen hatte. Er arbeitete hier auch gegen gute Bezahlung und nahm mir den Finger ab!

So war der Finger also ab und ich kehrte nach ein paar tagen zurück in mein Tal. Ich war erst mal froh dies hinter mir gelassen zu haben.

 

Der Club war in dieser Zeit natürlich weitergelaufen. Gäste kamen, Gäste gingen.

Sie landeten wie auch jetzt am Flughafen und wurden im Bus nach Arillas gebracht.

Nun gab es damals einen Bus, schon etwas älteren Baujahres von Spiros, unserem Transferunternehmers. Er hatte zusammen mit seinem Bruder Stamatis ein Hotel in Arillas.

Beide besaßen auch noch eine Olivenpresse in Kavadades, die im Winter betrieben wurde. Da gab es einen alten Lastwagen auf dem die Olivensäcke und Olivenölfässer transportiert wurden.

 

Wie es nun halt manchmal so sein sollte, ging der einzigste Bus von Spiros am  Samstagmorgen kaputt. Große Katastrophe. Er wollte einfach nicht anspringen.  Rrrrr…Rrrrr.Rrrr…

Die Gäste mussten in zwei Stunden am Flughafen sein.“ Hol den Lastwagen“ rief  Spiros seinem Bruder zu.

Da rollte der “Transfer Express“. Die Gäste konnten es zuerst nicht glauben, dass Sie zusammen mit Ihren Koffern hinten auf die Lagerfläche sollten. Sie hatten ja ein wenig sauber gemacht vorher. Aber was tun, sprach Zeus, die Götter sind gegen uns. So schien es …

In so kurzer Zeit waren keine Taxis aufzutreiben, nur ein paar Decken zum Hinsitzen. Und dann ab zum Flughafen. Eine Gaudi für viele! So was erlebt man schließlich nicht alle Tage.

 

Es lebe Korfu! Es lebe Griechenland!