Times are changing

Times are changing

 

Das erste Jahr des Uranus Clubs ging  zu Ende. Erst einmal durchatmen. Es war viel  passiert. Im Endeffekt hatten sich Jürgen und Alokaf verkalkuliert. Das erste Jahr  ist   ja immer schwer, mehr Ausgaben als man denkt und und und… 

Zum Schluss blieb nichts übrig für Jürgen. Und so musste er uns  sagen, dass er unseren Lohn nicht bezahlen konnte. Wir hatten also die ganze Saison für nichts gearbeitet. „Nächstes  Jahr wenn ich wieder flüssig bin“ sagte Jürgen auf seiner kleinen, wunderschönen Veranda in Larna, “bezahle ich Euch“.

„ Bist du noch bei Trost sagte ich, wie sollen wir über den  Winter  kommen?“ antwortete ich.

Solche Zahlungsmoral ist eigentlich gang und gebe in Griechenland. Viele arbeiten und bekommen Ihr Geld ein Jahr später. Übrigens: Jürgen bezahlte uns im nächsten Frühjahr.

Wir zerstritten uns aber an diesem Tag und ein schlechtes Gefühl sollte lange  anhalten..….

Für das nächste Jahr war aus diesem Grund erst mal keine Zusammenarbeit geplant. 

 

Wir (Isabelle und ich) gingen erst mal in den  Olivenerntewinter .

Oliven! Was für ein  Hochgenuss! Göttliches Olivenöl, die Göttin Athina ,Tochter des Zeus, die den Griechen den Olivenbaum schenkte.

In diesen Zeiten 1985/1986 waren die goldenen Olivenölzeiten!

Die  Bäume waren brechend voll mit Oliven. Poli Karpo, wie die Griechen sagen.

Kali sodia! Gute Ernte! Ich arbeitete damals für die drei Großbauern in Arillas. Andere Landarbeiter gab es noch nicht. Die Albaner (die jetzt überall arbeiten) waren  noch in Albanien im Kommunismus eingesperrt.

 

Vielleicht fangen wir ganz von vorn an mit den Oliven.

In Korfu gibt es die großen venezianischen Olivenbäume, die man vor ca. 400 Jahren  anfing anzupflanzen. Die Insel war  nach dem Fall Konstantinopolis (Istanbul)  am 13.07.1483 durch die Türken fest in venezianischer Hand. Für 400 Jahre.

Diese Sorte Olivenbäume wurde  riesengroß, bis zu 20m hoch und eineStammumfang von 3-4 m.

Solche einmalige, gigantische und wunderschöne Oliven wurden in Korfu mit Netzen geerntet.

Kleinere Sorten wie auf der Pelepones oder auch Kreta wurden gerecht, geschüttelt oder gepflückt.

Bei uns in Korfu fing die Ernte Ende Oktober an. Im Frühjahr (März, April) blühen die Oliven setzen kleine grüne Oliven an, die dann bis Oktober wachsen und anschließend ausreifen.

 

Jeder, der schon mal nach Korfu kam, hat sich als erstes über diese schwarzen Plastiknetze  gewundert, die überall in den Olivenhainen rumliegen. Entweder eingerollt oder ausgebreitet auf dem  Boden. Für was sind diese Netze, das hatte auch ich mich gefragt als ich vor 35 Jahren hier ankam.

 

Ende Oktober  wurden damals die Olivenhaine saubergemacht mit Hacke, Sense  und anderen Werkzeugen. Auf den gesäuberten Boden wurden nun diese Netze gelegt und befestigt. Die venezianischen Olivenbäume waren einfach zu hoch um Sie zu pflücken. Entweder mit Steinen beschwert oder mit dicken krummen Draht und großen Nägeln festgesteckt. War dieser Riesenakt getan (es waren ja unendlich große Haine) konnte man erst mal die Beine baumeln lassen und warten, bis die ersten Herbststürme kamen.

 

Mit Wind und Regen fielen die Oliven auf die Netze. Am Anfang der Ernte im November fielen erst mal die schlechten Oliven. Dementsprechend war das erste Öl auch  qualitativ minderwertig.  Gia sampouni  „ wie  die Griechen sagten,“ für Seife.“

Nachdem also mit einem Riesensturm genügend Oliven auf die Netze gefallen waren, musste man sich beeilen Sie einzusammeln. Denn  je länger die Oliven auf den Netzen lagen, desto höher wurde Ihr Säuregehalt. Beim Fallen wurden Sie natürlich wie Fallobst beschädigt, und „faulten“ langsam. Der Säuregehalt ist ausschlaggebend für die Qualität des Öls.

Gutes Speiseöl  hat einen Säuregehalt von 0 bis 3%.

0 % ist Olivenöl von handgepflückten Oliven, meist grüne (unreife oder grünschwarze). Dieses Öl wird als natives Olivenöl bezeichnet. Obwohl  nativ eigentlich nur „natürlich  und einheimisch“ bedeutet.

Es riecht so ein bisschen wie frisch gemähter Rasen. Für Salate optimal. Braucht allerdings mindestens 6 Monate zum Reifen, um nicht bitter zu sein.

Ich  persönlich finde Öl, das  2-3% Säuregehalt hat besser. Der Geschmack ist einfach anders. Wenn es mit schwarzen Oliven gepresst wurde, ist die Farbe dann auch goldgelb.

Ab 3% (essen kann man das Öl bis zu 6%), fängt es im Hals an  zu brennen. Die Griechen früher kochten natürlich immer mit dem Öl, das sie hatten, es gab ja auch  keine Supermärkte, die besseres Öl verkauften. Schweres Öl (mit viel Säure verursachte auch oft Sodbrennen. Aber was tun wenn man nichts anderes hatte.

Übrigens gilt das gleiche auch bei Essoliven: grüne Oliven sind unreife und deshalb auch „knackige„ Oliven, bissfest.

Schwarze Essoliven sind ausgereifte Oliven und deshalb weich bis matschig und viel eigenem Ölgehalt.   

Wie viel Öl enthielt also eine Olive?

Ich will das an einem  Beispiel erklären. Grüne oder halbschwarze Oliven, die November bis Ende Dezember geerntet werden haben einen Ölgehalt von 10% - 15 %. D.h. bei 100 kg Oliven bekommt man als Belohnung 10 kg- 15 kg Öl.Das Öl ist grün.

Schwarze ausgereifte Oliven (im Monat April bis Juni)  einen Ölgehalt bis zu 35%. 100 kg  Oliven geben fast 35 kg Öl von goldgelber Farbe.

Das Öl wird immer in kg gemessen. Öl schwimmt auch immer auf dem Wasser. Daher werden z. Bsp. Flüssigkeiten (wie Wein) mit einer Schicht Öl luftdicht versiegelt um nicht zu versauern.

 

Nach einer Schlechtwetterfront, die ein paar Tage andauerte mit viel Regen und Wind, waren die Netze, die wir gelegt hatten voll. Wir fuhren mit dem Pickup Lastwagen von Kosta und Stefania los, um die Oliven einzusammeln. Dazu wurden die Haken gelöst und zwei Personen, eine von links und eine von rechts schüttelten die Oliven zusammen. Je nach Menge hatten wir also alle 10 m ungefähr einen kleinen Haufen. Es waren natürlich nicht nur Oliven sondern Blätter,  Zweige, Insekten und manchmal auch Patronenhülsen von den Schrotflinten der Jäger auf den Netzen.  Oder leider auch die Scheißhäufen deren  Jagdhunde. Falls die Oliven in der Nähe von Häusern waren, konnte es gut sein, dass freilaufende Hühner und  Truthähne die Oliven aufpickten. Aber nicht nur das, sie ließen ja auch Ihre „Kutzulos„  Kothäutchen auf den Netze. Damit man allediese “Geschmacksverstärker“ nicht beim Pressen im Öl hatte, wurden die Oliven vorher  gesiebt. Es sollte doch schließlich kein „nussiges““ Aroma entstehen.

Also  wurden die Olivenberge auf den Netzten in Säcke  gefüllt. Sehr grobes Zeug wie Zweige  wurden gleich per Hand ausgesondert. All diese Säcke wurden an einen Platz geschafft und mit einem „Koskino“ (griech. Sieb) die Oliven von den Blättern und sonstigem getrennt. Der Koskino war ein großer Holzkasten, den zwei Personen hin und her bewegten. Es waren daumendicke Löcher im Boden, durch die die Oliven fielen. Blätter  blieben im Kasten und wurden nebenan geworfen. Die Oliven lagen dann unten. Natürlich fiel auch mal ein Blatt durch ein Loch, das war nicht so schlimm, dies sollte beim Gebläse in der Olivenpresse auch noch verschwinden.

Die so von „Unrat“ gereinigten Oliven wurden wieder  eingesackt und für die  Olivenpresse verladen.

 

In  der Olivenpresse

 

Damals in den goldenen 80er Jahren arbeiteten manche Olivenpressen 20 Stunden. Eine kleine Pause dazwischen für Mensch und Maschinen von 4 Stunden. Die damaligen Olivenpressen konnten „mia alisia „ = eine Presse in der Stunde schaffen. Das waren ungefähr 500 kg Oliven und dementsprechend (je nach Reife) zwischen 50 und 150 Öl.

 

Wenn man sich vorstellt, daß die alten Olivenpressen, mit altem Mühlstein und Esel der ihn, drehte würden vielleicht 800 kg Oliven in 20 Std. verarbeiten. Ölgewinn so 100 bis 200 l. Allerdings gab es damals auch keine Netze, sondern die Oliven wurden per Hand einzeln eingesammelt und die Säcke mit Eseln zur Olivenpresse geschafft.

 

Heute 2016 gibt es Superolivenpressen High Tech, die 500 kg in 30 min. erledigen, also bei 20 Stunden Laufzeit 20000 kg = 2000 bis  5000 l.

Nun fragt sich jeder: welches Öl war besser? Das alte mit dem Granitstein zerquetscht von Eselskraft zerquetscht, oder in der Hightech Mühle. Natürlich das alte, ganz langsam und schonend gepresst. Allerdings beide  nicht „kaltgepresst“.

 

Was heißt eigentlich kaltgepresst? In Deutschland ist es unglaublich wichtig  „kaltgepresstes“ Olivenöl zu kaufen „ Das Öl ist doch hoffentlich kaltgepresst“, die erste Frage. Eine ernüchternde Antwort:

Kaltgepresstes Öl gibt es nicht. Nicht vor 5000 Jahren und auch nicht jetzt.

Um das Ganze zu erklären, will ich ein kleines Beispiel aus dem Haushalt erzählen.

Sie haben ein  schönes Essen gekocht. Die  Pfanne oder der Topf so richtig fettig.

Nun sollen sie diesen Topf oder Pfanne mit kaltem Wasser ohne Spüli sauber kriegen. Schaffen sie das? Nein!

Genauso wenig ist es nicht möglich Öl aus einer Olive zu gewinnen ohne warmes (heißes Wasser) zu benützen. Wie soll sich das Öl von der Schlacke (die Olive besteht aus 80%  Wasser) trennen? Es braucht also heißes Wasser.

Es wird heute, wie früher Wasser erhitzt, um es auf die gemahlenen Oliven zu schütten, damit das Öl sich von der Schlacke trennt. Die Wasserkessel werden heute wie früher  mit den Resten der Presse dem „liosta“ (Presskuchen) angeheizt. Der  Liosta hat trotz Reste noch sehr viel Ölgehalt und brennt gut.

Er wurde in jedem Kamin benützt und als Tierfutter.

Natürlich ist es ein Unterschied ob ich 30  Grad heißes Wasser oder  wesentlich heißeres Wasser auf die Oliven schütte. Je niedriger  die Temperatur, desto schonender der Scheideprozess von Öl und  Schlacke (griech. Murga), aber desto länger.

Wenn man von kaltgepresstem Öl spricht, wird und wurde  heißes Wasser von 30 bis 40 Grad zugegeben. Kalt gibt es nicht.

Heutzutage bei den Super High Tech Olivenpressen wird auch schon  mal 50 bis 60 Grad verwendet. Das ist schneller. Das Öl ist immer noch gut, aber halt nicht mehr so gut  wie früher. Aber, schließlich muss alles immer schneller gehen. 

Ich hätte gerne mal ein Öl probiert, das langsam auf einem Malstein, von einem Esel angetrieben, gepresst worden ist…

 

So wie wird Öl eigentlich hergestellt? (Heutige Zeit)

 

Die eingesammelten Oliven werden also zur Olivenpresse transportiert. Dort angekommen muss man an guten Tagen erst mal warten in der Schlange. Stundenlang. Das tun die meisten Griechen, da Sie kein Vertrauen haben, dass Sie der Inhaber der  Olivenpresse betrügt, oder einfach nicht drannimmt, wenn Sie an der Reihe wären. Mir war das immer zu dumm, ich ließ meine Oliven dort und sagte,  wann immer er Zeit hat soll er sie mahlen.

Die Gefahr war einmal, das sie ewig dort liegen bleiben, weil immer einer  vor Dir kommt. Und zum zweiten, dass Öl „verschwindet“ oder zum dritten Du irgendein schlechteres Öl bekommst als du gebracht hast. Weil es nicht deine Oliven waren, die gepresst wurden.

Um dies alles zu umgehen, saßen viele Kunden stundenlang vor ihren Säcken und warteten. Für einen Griechen jetzt weniger ein Problem, da man viel zu diskutieren hatte.

Politisch und so. Dazu noch einen Tsipouiro (Schnaps). Manche Olivenpressen  haben inzwischen  gleichzeitig eine kleine Kantina nebendran, wo man sich auffrischen kann.

Wenn man dann endlich an der Reihe war, wurden die Olivensäcke aufgemacht und auf ein Transportband geschüttet. Dieses  Transportband endete in einem großen Behälter in dem die restlichen Blätter und kleinen Zweige heraus gebelasen wurde. Diese gelangten über ein  dickes Rohr ins Freie. Deswegen sind vor den Olivenpressen immer riesige Häufen von Blättern.

Die nun gereinigten Oliven wurden weitertransportiert. Auf  diesem  Band wurden Sie mit heißem Wasser gewaschen, um Staub, Dreck und „sonstigem“ zu befreien.

Von diesem Waschband fielen die Oliven in die eigentliche Mühle. Früher ein riesiger Runder Stein aus der  ein Mühlstein aus Granit, der von einem Esel gezogen, die Oliven langsam zerquetschte oder zermahlte.

Heutzutage  ein starker Häcksler, der in sekundenschnelle die Oliven mit Kerne zu Brei zermahlt. Aus diesem Häckselwerk fließt der Olivenbrei in zylinderförmige  Behälter von 4 bis 5 m Länge, wo heißes Wasser zugegeben wird. Wie bereits vorher geschildert  zwischen 30 und 60 Grad heiß.

Das Öl trennt sich von der Schlacke. Die Schlacke (ein dunkle stinkige Brühe aus Wasser und anderen Resten, „Murga „ auf griechisch genannt, fließt  nach unten ab, als Abfall,  Abwasser sozusagen. Bis heute noch fließt  diese stinkige Brühe von der Olivenpresse außerhalb in Gräben und in die Flüsse oder ins Meer. Erinnert an faulige Eier.

 

Das Öl wie bekannt leichter als Wasser schwimmt oben und fließt in eine Zentrifuge. Dort wird mit tausenden von Umdrehungen noch der letzte Wassergehalt heraus zentrifugiert. Was dann aus dieser Zentrifuge aus einem kleinen Rohr kommt ist pures Olivenöl. Farbe, Geschmack und Qualität abhängig von den Oliven die man brachte.

Die inzwischen fast trockene Maische (ohne das erstgepresste Öl und die Schlacke) wird  über ein Rohr hinausbefördert, auf den Hof der Olivenpresse. Riesige Haufen liegen dort.

Die Dunkelgrüne bis dunkelbraune Maische (liostra) enthält immer noch Öl. So wird Sie als Zusatz zu Tierfutter (Hühner, Schweine etc.) benützt. Der Großteil

 wird mit Lastwägen in die staatlichen Ölraffinerien der AEBEK gefahren, wo mit sehr hoher Temperatur qualitativ minderwertiges Frittieröl oder auch Paraffinöl hergestellt wird. Was dann noch übrig bleibt (Pirini auf griechisch) hat immer noch einen kleinen Anteil an Öl und wird für Heizbrenner (Zentralheizung) anstelle von Petroleum benützt.

Also recht rentabel so eine Olive.

 

Nicht zu vergessen die Olivenblätter. Vor kurzem wurde herausgefunden, dass die getrockneten Blätter der Jungtriebe des Olivenbaumes, einen sehr schmackhaften und gesunden Tee ergeben. Kurz aufgebrüht wirkt er sehr entschlackend und entgiftend und bei einigen Krankheiten heilend. 

 

Zum Abschluss vielleicht noch ein paar Worte zum Olivenölpreis.

 

In Deutschland, Österreich und in der Schweiz bezahlt man sehr hohe Preise für gutes Olivenöl. Für ein kleines Fläschchen „natives und kaltgepresstes Öl manchmal 10 bis 15 €.

Hier in Korfu bezahlt man bei den Ölhändlern für 1 kg bestes Assos-Öl (das sind ungefähr 1,1 l ) 4 bis 5 €! Assos heißt Ass (wie beim Kartenspiel) und hat 0 Grad Säure.

Also ungefähr ein Drittel wie in Deutschland. In Deutschland bekommt man leider auch nur „gereinigtes“ Öl, das den EU Bestimmungen entspricht. Dabei gehen natürlich viele Geschmackstoffe verloren. Also unbedingtes Mitbringsel aus Griechenland echtes natives Olivenöl.

Wohl bekommt´s.