Artischocken und mehr

Artischocken und mehr

 

Die Olivenernte zog sich sehr lange, bis in den Juni1986. Parallel zur Ernte hatten wir das zweite  Jahr in Folge unsere Tomatenplantage, so waren wir also gut beschäftigt.

Der Uranus Club lief weiter, und wie sein Namensgeber, der Planet Uranus, der „Wechselhafte“ wechselten auch dort ständig die Mitarbeiter. Köche aus Australien, aus Österreich, Deutschland usw.

 

Wir arbeiteten ja nicht mehr dort hatten aber noch Kontakt dorthin. Jürgen war sehr im Stress, wir trafen Ihn öfters in der Kneipe auf ein Bier.

„ Habe da ne Superidee wie man leicht Kohle machen kann!“ sagte Jürgen zu mir. Eine der „Big ideas“.

Wie denn, fragte ich.

„Also folgendes: die Küche im Uranus Club braucht viele Artischocken. Das ganze Jahr über. Da aber die Artischockenzeit frisch geerntet im Frühjahr ist, sollten wir Artischockenböden einmachen. So in Einmachgläsern, wie früher bei Omas Zeiten. Eingefrorene Artischocken gab es damals noch nicht. „Du machst die Böden ein und ich kaufe Sie dir dann ab. Artischockenböden sind ja recht teuer“.  An wie viele hattest Du denn gedacht, fragte ich. „

Na so 1000 Stück.“ 1000 Stück, ich war etwas überrascht, so viele?

Die gehen weg wie warme Semmeln bei den Gästen. Man kann so viele Sachen  damit machen.

Der Kaufpreis hörte sich auch gut an und so starteten wir die Produktion!

Als erstes brauchte ich natürlich größere Einmachgläser. Einen Einkocher hatte Oliver damals aus Deutschland mit dem Auto noch mitgebracht.

Und das wichtigste fehlte natürlich noch, die Artischocken. Für Artischockenböden, damit diese Ihre volle Größe hatten nahm man Artischocken am Ende der Wachstumsperiode also  im Mai, kurz vor der Blüte. In dieser Zeit sind die Artischocken am billigsten, denn da will Sie eigentlich keiner mehr hier in Griechenland. Wenn eine Artischocke am Anfang ( Ende Januar) der Artischockenzeit noch 1,50 € kostet, sinkt der Preis bis Mai auf 0,20 €. (Damals natürlich noch in Drachmen die Preise).

 

Wir fuhren also zum nächsten Artischockenbauern in Arillas. Arillas ist in ganz Korfu berühmt für seine frühen und schmackhaften Artischocken.

Als Stefanos der  Bauer (ein alter Kommunist) hörte, dass wir 1000 von den schon fast blühenden und stacheligen Artischocken haben wollten, war er sehr überrascht.  Jia ti to thelis? Was machst du mit denen? Artischockenböden!  Ti Prama? Was für ein Zeug?

Er konnte es nicht verstehen, aber er freute sich über diese unverhoffte Einnahme, denn in diesem Zustand waren Sie für Ihn sonst nicht zu verkaufen und er lies sie ausblühen.

Also  sammelte er erst mal 10 große Kartoffelsäcke voll. „ Mehr passt eh nicht in Euer Auto, meinte er. Das sind erst mal 500 Stück. Wenn Du die verarbeitest hast, kommst Du wieder, dann bekommst Du die anderen 500, meinte er und musste sich fast krümmen vor lachen über soviel  „Dummheit“ der Deutschen. Artischockenböden, sagte er noch mal und schüttelte den Kopf. Zählte sein Drachmenbündel nach und konnte es immer noch nicht glauben.

 

Als erstes möchte ich ein wenig über Artischocken (griech. Anginares)  erzählen.

In Deutschland bis vor einigen Jahren unbekannt. Eine fast exotische Frucht, obwohl sie in allen Mittelmeerländern im Frühjahr fest auf den Essenstisch gehört.

Die Artischocke ist eine Distelpflanze , bei der die Blütenknospe vor der Blüte gegessen wird.

Eine Artischocke  sprießt immer wieder aus der gleichen Wurzel mit den ersten Regenschauern im Oktober. Die Pflanze wächst dann heran mit sehr vielen Trieben. Man lässt aber nur zwei Triebe pro Pflanze stehen. Die übrigen Triebe und Blätter werden  herausgeschnitten und sind  prima Futter für Ziegen und Hasen! Ab Februar, wenn es wärmer wird im Mittelmeerraum spießen die ersten Knospen. Man erntet Sie noch  klein und jung, dann wenn die obersten Blätter der Knospe sich öffnen.

Man schneidet die Knospe mit möglichst viel Stiel ab. Die Artischocke ist ja Gallenbitter im Rohzustand (deswegen auch so gut für die Leber!).

Es werden wenige harte Blätter von außen entfernt bis die grünen weg sind und die Blätter  hellgelb werden. Die Spitze  abschneiden (Stachelig!) und die  Artischocke halbiert. Fertig. Bei den Stielen wird die haut entfernt und sie sind auch nicht mehr bitter und essbar.

Im Frühjahr, gerade bei der  Fastenzeit werden die  Artischocken zusammen mit Erbsen,  Saubohnen und Fenchel  gekocht. Wenn man noch einen Oktopus dazu gibt, dann entsteht ein wahres Festmahl.

Oder diese halbierten Artischocken auf Holzkohle gegrillt! Das komische ist, dass durch die vielen Bitterstoffe alles andere einem süß vorkommt. Auch ein herber Wein   schmeckt auf einmal lieblich.

Die Franzosen  Essen die  Artischocken gerne im  älteren Zustand, wenn die Köpfe groß und die Blätter dick sind. Die kochen den  Kopf in Salzwasser und tunken dann jedes einzelne Blatt in eine Vinegraite (so was wie eine Salatsauce) oder in Majonaise. Auch lecker, dies kennen die Griechen aber gar nicht.

 

Zu hause angekommen schütteten wir alle Säcke auf der Veranda aus und ich saß vor diesem Berg mit einem Messer in der Hand.

Um die Artischockenböden auszulösen, musste man alle Blätter entfernen, dann blieb der Boden mit einigen  Stacheln in der Mitte (der eigentlichen violetten Blüte) übrig Die noch weg und fertig war der Boden. Man brauchte  ungefähr fünf Minuten, also 12 in der Stunde, am Tag 100 Artischocken mit Einkochen. Man was für eine Aktion.

Aber wir hielten durch. Ein Glas nach dem anderen wurde voll. Gummi drauf, einkochen.

Sahen toll aus. Nach fast einer Woche hatten wir die 500 Artischocken durch, und wollten die nächsten 500 holen. Am Morgen nach dem Aufstehen schaute ich noch mal auf unser Werk. Und siehe da, in den ersten Gläsern stiegen kleine Bläschen auf. „Bläschen?“

Aus den Bläschen wurden Blubberblasen, und es war klar, die Artischocken fingen an zu gären in den  Gläsern.  Also alles für die Katz.

Was ich falsch gemacht hatte? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich zu wenig Salz ins Kochwasser!

Auf jeden  Fall waren wir am Boden zerstört.

Die Hühner freuten sich zumindest und unser Schwein!

Auch Jürgen war so generös und bezahlte die Artischocken, so dass der Verlust nicht so schmerzte.

 

Durch das Chaos in der Küche (dauernde Personalwechsel) sollte auch Isabelle wieder ran. Jürgen und Aloka fragten Sie, ob sie sich vorstellen könnte als Gehilfin zu arbeiten. Nicht als Köchin. Pourquoi pas, warum nicht sagte Isabelle. Nun waren leider ein Paar aus Deutschland zum Kochen da,  die viel Erfahrung in Ashrams in Deutschland hatten.

Leider war es eine deutsche Stampfküche.“Kartoffeln mit Bulgursoße“ oder Kartoffeln mit  Linsen. Wenig Gemüse. Ihr Motto war immer „schön dick“. D.h. zum Schluss eines jeden Gerichtes wurden ein Kilo Mehl für die Sauce eingedickt. Also jeden Abend „schön dick“ .

Isabelle hatte bald die Schnauze voll und sagte, dass Sie mit solchen Stampfköchen nicht arbeiten  kann. Das „schön dick“ blieb Ihr wie ein Alptraum im Gedächtnis.

Es ging alles den Bach hinunter, zum  Schluss bekamen die Gäste nur noch Linsen. Bohnen und Kichererbsen!

Zum Schluss der Saison kam Peter stolz ziemlich aufgelöst: zu viele Probleme mit den Gästen. Klar beschwerden ohne Ende. Nach einigem Streit war klar:

 

Jürgen konnte den Club nicht mehr länger halten und  Peter Stolz kaufte Ihm den Uranus Club Namen ab. Ab jetzt war TIT Travel der alleinige Besitzer!

Peter Stolz übernahm natürlich  alle Verträge mit den griechischen Partnern.

Jürgen  hatte natürlich einen wesentlichen Vorteil gegenüber Peter Stolz: er sprach griechisch und kannte Land und Leute.

Also brauchte  Peter jemanden, der diese Eigenschaften hatte. Da kam ich wieder ins Spiel.

 

Ich hatte ja eigentlich keine Lust mehr auf Tourismus. Mein Leben war der Zappi Mann. Also der Mann mit dem Zappi = ( Hacke). Diesen ganzen Sch… mit dem Uranus Club lief mir überhaupt nicht mehr rein.

Eigentlich hatten Peter Stolz und ich bis zu diesem Zeitpunkt nie etwas zu tun gehabt, wir kannten uns nicht einmal.. Uns nie gesehen, geschweige  miteinander geredet.

 

Es gab damals einen  frühpensionierten deutschen Richter, der hieß Gerd Meyer Er war aus Oldenburg, Ostfriese also.

 Pensioniert  war er aus psychologischen Gründen. Er hatte ein kleines Alkoholproblem und hatte  in kurzer Hose und T-Shirt einige Richtersprüche gefällt.  So  dass  die Justiz Ihn kurzerhand für nicht zurechnungsfähig erklärt hatte und pensionierte. 

Gertilein, so  nannten wir Ihn, war ein feiner Mensch. Meistens total besoffen (Ouzo). Aber er hatte ein Faible, er war „Kapitän“. Er hatte einen Kapitänspatent, aber noch nie auf einem Dampfer gedient.“ Ich kann so ein Schiff fahren, sagte er immer…

Gut, er kam also jedes Jahr mit einem Schlauchboot und einem kleinen Außenborder und wir hatten eine Riesengaudi bei unseren Bootsausflügen.

Wir fuhren bis zu den Korfus vorgelagerten  Inseln im Nordwesten Erikoussa,  Mathrakii und sogar Othoni. Natürlich immer hakedicht. Die Ouzupulle musste mit. An ein Abenteuer kann ich mich immer noch gut erinnern. Die Fahrt nach Othoni. Sie dauert bei ruhigem Seegang  mit so einem kleinen  Schlauchboot 3 bis 4 Stunden hin und zurück. In Othoni soll Odysseus gestrandet sein und dort in der  Grotte der  Calypso (Nymphomanin) ein paar Jahre verbracht haben bevor er vor Ihr fliehen konnte und bei uns in Agios  Stefanos strandete. Wir fuhren also nach Othoni, auf der  Rückfahrt kamen wir in einen strammen Nordwestwind (Maestro auf griechisch) und die Wellen  türmten sich riesenhoch.

Wir drei (Isabelle, Gertilein und ich ) und bangten um unser Leben. Mit ein paar Trinkbechern schöpften wir das Wasser aus dem Boot und hofften, die Wellenberge würden ein Ende nehmen. Ich weiß nicht mehr wie lange wir brauchten, aber nach der Insel Diabolo nahm der  Sturm und die Wellen ab und wir gelangten mit letzten  Kräften zurück nach Arillas.

 

Tja dieser Mann Gerti war in ganz Arillas gut bekannt. In allen Kneipen zu hause, lernte  Ihn natürlich auch Peter Stolz kennen. Gertilein war ja immer zu einem Schwätzchen aufgelegt, er war ja außer Seemann pensioniert und wohnte in einem kleinen Zelt  neben dem  Haus von Steffi und Costa.

So kamen Sie also ins Gespräch und  Peter erzählte Ihm, dass er dringend einen Reiseleiter bräuchte, der gut griechisch spricht.“ Na Klausi Mausi, sagte Gertilein, der ist genau der richtige für Dich. Gertilein kam später bei mir vorbei und erzählte mir alles. So traf ich mich mit Peter am nächsten Tag und meine zweite „Chance“ im Uranus Club begann.

 

Ich hatte natürlich unglaubliche Angst auf diesen Job. Ich hatte so etwas noch nie gemacht.

Gäste empfangen, betreuen, Ausflüge mit Ihnen machen. Sich mit den griechischen Vermietern Anliefern usw. auseinandersetzten und und und.

 ch war damals 25 Jahre und ein etwas ängstlicher Charakter.

Mein Gehalt war damals 500 DM, ein schönes Geld, im Vergleich zu 250 DM Monatslohn als Landarbeiter!

Plus Provisionen, es gab ja da so einiges dazuzuverdienen, wenn man clever war!